Seit April sitzt ein Schwede in iranischer Haft, der für den Europäischen Auswärtigen Dienst arbeitete. Es ist das erste Mal, dass Iran einen EU-Beamten der Spionage beschuldigt.
Iran hat einen Schweden, der für den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) arbeitete, als Geisel genommen. Das berichtete die „New York Times“ am Montag unter Berufung auf mehrere mit dem Fall vertraute Personen. Der Sprecher des EAD wollte dies zwar nicht bestätigen, weil man aus guten Gründen individuelle Fälle nicht kommentiere. Er sagte aber, dass man den Fall eines Schweden in iranischer Haft kenne und „sehr eng mit Schweden zusammenarbeite“, das die primäre konsularische Verantwortung für seine Staatsangehörigen trage. Gemäß dem Zeitungsbericht handelt es sich um Johan Floderus. Er war schon am 17. April 2022 in Teheran festgenommen worden, nachdem er mit mehreren Freunden eine private Reise in das Land unternommen hatte.
Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani, sagte am Montag, ihm sei der Fall nicht bekannt. Im Juli 2022 hatten Staatsmedien über einen namentlich nicht genannten Schweden berichtet, der wegen Spionageverdachts festgenommen worden sei. Die Agentur Fars News meldete seinerzeit, der Schwede sei vom Moment seiner Einreise an observiert worden, weil er aufgrund „verdächtigen Verhaltens und Kommunikation“ im Rahmen mehrerer früherer Iran-Reisen bereits auf einer Verdachtsliste geführt worden sei. Seine Festnahme vor der Ausreise am Flughafen wurde zudem mit einem weiteren europäischen Gefangenen in Zusammenhang gebracht, der ebenfalls der Spionage beschuldigt werde. In dem Bericht heißt es weiter, der Schwede sei mehrfach nach Israel gereist.
Iran praktiziert seit Jahren Geiseldiplomatie
Floderus soll tatsächlich zuvor als Mitarbeiter des EU-Entwicklungsprogramms in Iran gewesen sein. Der 33 Jahre alte Schwede hatte nach einem Praktikum in den Institutionen seit 2019 für die schwedische Innenkommissarin Ylva Johansson gearbeitet, bevor er 2021 in den EAD wechselte. Eigentlich sollte er als Mitglied der EU-Delegation in Afghanistan arbeiten, dazu kam es wegen der Machtübernahme der Taliban im August 2021 jedoch nicht mehr. Floderus arbeitete daraufhin im Hauptquartier des EAD in Brüssel.
Iran praktiziert seit Jahren eine Form der Geiseldiplomatie. Im Mai tauschte es den belgischen NGO-Mitarbeiter Olivier Vandecasteele gegen den in Belgien verurteilten Terroristen Asadollah Asadi aus, der Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes war. Auch im Fall des Schweden könnte es eine ähnliche Motivation geben. Iran hatte die Festnahme des Schweden kommuniziert, nachdem zwei Wochen zuvor ein früherer Mitarbeiter der iranischen Justiz in Schweden zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Hamid Nouri konnte die Beteiligung an der Hinrichtung Tausender politischer Gefangener in Iran im Jahr 1988 nachgewiesen werden. Der Prozess war für die iranische Führung schon deshalb politisch heikel, weil der amtierende Präsident Ebrahim Raisi ebenfalls an den Massenhinrichtungen beteiligt war. Floderus’ Festnahme fiel mit der Endphase des Gerichtsprozesses zusammen.
Zur gleichen Zeit bemühte sich der EAD, eine Rückkehr zum ausgesetzten Atomabkommen mit Iran von 2015 zu erreichen. Im März schienen die Verhandlungen bereits kurz vor dem Abschluss. Doch Irans Unterstützung für den russischen Angriffskrieg und die Frage, ob die Vereinigten Staaten Sanktionen gegen die Revolutionsgarden verhängen werden, brachten den Prozess ins Schleudern. Kurz vor und kurz nach Floderus’ Festnahme reiste der EU-Verhandlungsführer Enrique Mora nach Teheran, um den Stillstand zu durchbrechen. Mora ist stellvertretender Generalsekretär des EAD. Am 13. Mai sprach der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der den Dienst leitet, noch von einer „Perspektive auf eine Einigung“. Die wurde aber spätestens durch den Tod der Kurdin Mahsa Amini und die anschließenden Massenproteste blockiert.
Quelle : faz