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Wirtschaft

Ausländische Fachkräfte Meiden Deutschland


Es ist fast wie beim Eurovision Song Contest: 51 Nationen sind bei ausländischen Expats beliebter als Deutschland. Warum hat Deutschland auch bei der Fachkräftegewinnung das Abo auf den letzten Platz?

Es ist die Art der Arbeitsmigration, die wir in Deutschland brauchen: Qualifizierte Fachkräfte, die unsere Wirtschaft bereichern. Junge Frauen und Männer aus anderen Ländern mit einer guten Ausbildung, die die Chancen der Globalisierung nutzen wollen, um in einem neuen Lebensumfeld ihre Arbeitskraft einzusetzen. 

Es gibt verschiedene Schätzungen und Prognosen dazu, wie viel Zuwanderung von Fachkräften Deutschland benötigt. Bis zum Jahr 2060 braucht Deutschland pro Jahr 260.000 zusätzliche Fachkräfte aus dem Ausland: Das war das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahre 2019. Heute geht man bereits von einem Bedarf von 400.000 zusätzlichen qualifizierten Arbeitskräften pro Jahr aus. Das hängt damit zusammen, dass der Bedarf in den letzten Jahren eher noch zugenommen hat und durch die demografische Entwicklung mit der zunehmenden Verrentung der Baby-Boomer-Generation nicht geringer werden wird.

Umfrageschlusslicht Deutschland

Expatriates, kurz Expats, werden die Menschen genannt, die fernab ihrer Heimat ihr berufliches Glück suchen. 4,8 Millionen von Ihnen sind in dem Netzwerk InterNations zusammengeschlossen. Dort ermittelt man durch Umfragen unter den Mitgliedern, wie sich ihr Leben in ihrer neuen Umgebung gestaltet. Daraus entwickelt das Netzwerk den so genannten »Expat Basics Index«. Ein Wert, der sich aus verschiedenen Kategorien zusammensetzt. Dazu gehören das Wohnen, die digitale Infrastruktur, die Sprache und der Umgang mit der Verwaltung. Der Index zeigt die für die veränderungsbereiten Menschen wichtigsten Elemente für den Start ins Leben im Ausland auf.

Das Ranking wird diejenigen erstaunen, die meinen, dass das Leben in Europa und vor allem in Deutschland doch für junge Menschen lebenswert ist und sie hier alles vorfinden, was man für ein gelingendes Arbeitsleben braucht. Weit gefehlt: Bahrein, die Vereinigten Arabischen Emirate und Singapur haben sich die ersten Plätze gesichert. Auf Platz vier folgt, als einziges europäisches Land unter den ersten zehn, dann Estland. Dafür findet man auf den letzten zehn Plätzen gleich sechs Länder aus Europa und, wie bereits beschrieben, ganz am Ende der Liste Deutschland. 
Das Land der technischen Innovationen, der Dichter und Denker, der Sozialen Marktwirtschaft, das Land mit dem Label „Made in Germany“ steht auf dem Abstiegsplatz in der wirtschaftlichen Weltliga. 

Expats: das Macht Deutschland Falsch

Warum ist das so? Was machen wir falsch, wie erschweren wir den Expats den Start in unseren Arbeitsmarkt?  Immer wieder genannt werden frustrierende Hürden, die Arbeitskräfte, die aus dem Ausland zu uns kommen, schnell verschrecken. Bei der Umfrage landet Deutschland in drei von vier Unterkategorien ganz weit hinten: beim Wohnen, beim digitalen Leben und bei der Sprache. Geeignete Wohnungen sind im weltweiten Vergleich nicht nur schwerer bezahlbar. Es ist in Deutschland offenbar auch viel komplizierter eine Wohnung zu finden, die passt. „Es kann bis zu drei Monate dauern, auch nur eine vorübergehende Unterkunft zu finden“, sagt ein Expat aus Polen. Das erschwert bereits den Einstieg in den bundesdeutschen Alltag. Dazu kommt die deutsche Sprache, die bekanntermaßen als schwer zu erlernende Sprache gilt, was auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Umfrage unterstreichen. Wenn man die Landessprache nicht spricht, ist es schwierig in Deutschland zu leben, sagen 46 Prozent der Befragten. In anderen Ländern trifft das im Durchschnitt nur zu 32 Prozent zu. 
  
Nicht nur junge Menschen erwarten in ihrem Lebensumfeld eine gute digitale Infrastruktur. Und eben nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch daheim. Ein Viertel der Expats beklagen, dass es schwierig ist, zu Hause einen schnellen Internetzugang zu erhalten. Beim Blick auf andere Länder im weltweiten Vergleich wird diese Beschwerde nur von elf Prozent geführt. Der Mangel an bargeldlosen Zahlungsmöglichkeiten in Deutschland wird ebenfalls vielfach kritisiert.   

Bürokratie, Digitalisierungsdefizite und Sprache Schrecken ab

Die bürokratischen Hürden im Umgang mit der öffentlichen Verwaltung führen ebenfalls zu der katastrophalen Einschätzung der Lebensqualität in Deutschland. Jede Dritte der aus dem Ausland kommenden Fachkräfte in dieser Umfrage sehen die Online-Verfügbarkeit von Behördendienstleistungen negativ. Mehr als die Hälfte der Expats finden es schwierig, sich mit den deutschen Behörden zu verständigen. „Ich hasse die deutsche Bürokratie wirklich“, sagt ein Expat aus Großbritannien. „Vor allem die Tatsache, dass nichts digitalisiert wird! Es dauert ewig, sich mit einem der lokalen Regierungsbüros in Verbindung zu setzen, um Aufenthaltsgenehmigungen und dergleichen zu besprechen.“

Was macht nun den Unterschied zwischen dem Tabellenletzten Deutschland und dem Führenden im Ranking, Bahrain aus? Die Menschenrechtslage kann es nicht sein, weist doch der Landesbericht von Amnesty international aus dem Jahre 2021 für die konstitutionelle Monarchie schwere Menschenrechtsverletzungen aus. Dort wird durch Behörden gefoltert und in anderer Weise misshandelt. Dazu werden die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit unterdrückt. Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten waren mit Lohndiebstahl konfrontiert, ihr Recht auf Gesundheit wurde verletzt, ebenso wie das von Häftlingen.

Worin Ausgerechnet Bahrain Deutschland Abhängt

Das scheint die Befragten Expats aber wenig zu stören. Sie fühlen sich in diesem Inselstaat wohl. Es ist leicht ein Visum zu erhalten, beschreiben 70 Prozent. Den Umgang mit Behörden finden mehr als zwei Drittel als positiv. Zwar gibt es keinen uneingeschränkten Zugang zu Online-Diensten, dafür aber eine unter den ersten zehn gelistete Verfügbarkeit von Online-Regierungsdiensten. Offensichtlich ist es in Bahrein leicht, eine Unterkunft zu finden. Das sagen 82 Prozent der dortigen Expats. Leichter bezahlbar sind die Unterkünfte dort allerdings auch nicht. Die in Deutschland kritisierten Sprachbarrieren scheint es in Bahrein aber nicht zu geben. Dort freuen sich 82 Prozent der Befragten darüber, dass sie gut zurechtkommen, ohne die Landessprache zu sprechen.

Die Umfrage zeigt einmal mehr, dass in Deutschland ein Nachholbedarf in vielen Bereichen besteht, vor allem auch bei der Digitalisierung. Allerdings darf man beim Blick auf den Index nicht unbeachtet lassen, dass die politische Lage in den Ländern, sowie die Menschen- und Arbeitnehmerrechte keine Rolle bei der Indizierung spielen.

Quelle : Die Tagespost

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