Das Bode-Museum in Berlin wagt den Tabubruch und bietet Besuchern an, sich mit dem Thema Suizid zu beschäftigen – in einer speziell entwickelten Tour auf dem Multimedia-Guide.
Der Saal im Bode-Museum ist voll mit Menschen, die das Thema Suizid aus der Ecke des Schweigens holen wollen. Die Neue Berliner Fachstelle für Suizidprävention stellt sich vor.
Eine Bündelung von Angeboten: eine neue Website mit vielfältigen Informationen und Videos zu Hilfsmöglichkeiten für suizidgefährdete Menschen und deren Angehörige.
Kunstwerke sollen Hoffnung vermitteln
Das Bode-Museum tritt bei der Veranstaltung als Kooperationspartner auf. Das Museum stellt hierfür auf dem bereits bestehenden Multimedia-Guide eine speziell entwickelte Tour zur Verfügung, in der Kunstwerke beleuchtet werden, die Hoffnung vermitteln sollen.
Cäcilia Fluck, stellvertretende Leiterin des Bode-Museums, beschreibt es so: “Dieser Ort lebt Geschichte und zeigt Objekte aus über 1.500 Jahren, die von Schicksalen erzählen. Objekte, die berühren, nachdenklich stimmen, Trost spenden.”
Dabei ist das Museum ein hilfreicher Zufluchtsort in einer schnelllebigen Zeit, die Ängste birgt.
Cäcilia Fluck, stellvertretende Leiterin des Bode-Museums
Was das Museum damit wagt: Suizid zum Thema zu machen. Und damit dazu anzuregen, das Schweigen zu brechen.
Jährlich mehr Suizide als Verkehrstote
Mehr als 9.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland in Folge eines Suizids. Das sind 3.000 Menschen mehr als im Straßenverkehr.
Und dennoch scheinen die Bemühungen, den Straßenverkehr sicherer zu machen, ungleich größer als bei der Suizidprävention.
“Es darf kein Schweigen existieren, das Leben kosten kann” sagt Victoria Szewczyk. Die junge Frau, die vor dem Auditorium im Bode-Museum spricht, hat selbst Suizidgedanken erlebt – sie weiß, wie mühselig und anstrengend das Leben sein kann. Inzwischen redet sie darüber, um anderen zu helfen.
Sie selbst, erzählt sie, sei damals jahrelang mit dem Gefühl, dass sich alles dunkel und vergeblich anfühlt, allein geblieben. Die Menschen in ihrem Umfeld hätten geschwiegen. Hätten geschwiegen, wo sie hätten fragen sollen.
“Über Suizid reden bringt niemanden erst auf den Gedanken, aber Menschen bringen sich um, weil niemand fragt, obwohl es hätte bemerkt werden können”, so Szewczyk. Viele Geschichten könnten anders laufen. Glücklicher. Da ist sie sicher.
Wenn wir über einen Termin beim Psychologen genau so offen reden könnten, wie über einen Termin beim Physiotherapeuten.
Victoria Szewczyk
Gründe für Suizidgedanken sind vielfältig
Ein Kind, das gemobbt wird. Ein Paar trennt sich. Eine Kollegin wird entlassen. Die Gründe für versuchten oder vollendeten Suizid sind so unterschiedlich wie unsere Leben.
Suizidalität ist immer ein Hinweis auf eine sehr große seelische innere Not. Die meisten Menschen kennen das Gefühl. Aus eigenem Erleben. Oder weil sie es bei jemandem erlebt haben.
Suizid hat keine Schichtenspezifik, macht vor keiner Familie halt. Jeder Suizid betrifft andere Menschen, ob direkt oder indirekt.
Markus Geißler, Leiter der Berliner Fachstelle Suizidprävention, sagt:
Suizidgedanken sind nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu. Wir wollen dieses Tabu brechen und Betroffene und Angehörige ermutigen, über Suizid zu sprechen und ihnen Hilfe anbieten.
Markus Geißler, Leiter der Berliner Fachstelle Suizidprävention
Denn was helfen kann, ist reden. Das Schweigen brechen. Denn Suizid ist in unserer Gesellschaft schwer stigmatisiert. Gefühle von Scham und Schuld verstellen den Blick auf einen offenen Umgang mit dem Thema. Und verhindern so allzu oft echte Hilfe.
Experten raten, Betroffenen mit Trost, statt Tipps zur Seite zu stehen. Es geht nicht um die perfekten Worte, es geht darum, zu signalisieren: Ich bin da für Dich!
Quelle : zdf