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Emissionszertifikate: Recyclingindustrie Sieht Sich Benachteiligt

Die europäischen Recyclingunternehmen haben Bedenken gegen die geplante kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten an die Stahlindustrie geäußert. Dadurch würde recycelter Stahlschrott gegenüber dem umweltschädlicheren neu gewonnenem Stahl aus Eisenerz benachteiligt werden.

Die Europäische Kommission bereitet momentan eine öffentliche Konsultation zur Überarbeitung der Verordnung über die kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten für den Zeitraum 2026-20230 vor. Bei dieser soll festgelegt werden, wie viele Zertifikate frei an die Industrie verteilt werden.

Die Stahlindustrie ist stark von einer Verlagerung ins Ausland bedroht, da die CO2-Preispolitik der EU einen Produktionskostennachteil gegenüber die der Konkurrenten in China oder Indien verursacht.

Aus diesem Grund wurde der Sektor in die sogenannte „Emissionsverlagerungsliste“ der EU aufgenommen. Damit erhalten die Stahlhersteller im Rahmen des EU-Emissionshandels (EU ETS) bis zu 100 Prozent kostenlose Emissionszertifikate und damit einen Freifahrtschein für die Verschmutzung.

Das System wird 2034 auslaufen, da die EU parallel dazu schrittweise mit der Anwendung eines neuen CO2-Grenzzolls (CBAM) beginnt.

Der Entwurf der Verordnung über die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten löst jedoch bei Umweltgruppen und der europäischen Recyclingindustrie Besorgnis aus. Sie sind der Meinung, dass die Methode zur Vergabe kostenloser Emissionszertifikate die emissionsintensivsten Stahlproduktionsverfahren begünstigt.

„Die kostenlosen Zertifikate sollten die Verlagerung von CO2-Emissionen verhindern, bis die CBAM vollständig umgesetzt ist. Sie sollten kein Anreiz sein, ein bestimmtes Herstellungsverfahren gegenüber einem anderen zu bevorzugen – schon gar nicht ein umweltschädlicheres“, erklärte Sandbag gegenüber Euractiv.

Laut dem Europäischen Verband der Recyclingindustrie (EuRIC) reduziert die Verwendung von recyceltem Schrott bei der Stahlherstellung die CO2-Emissionen um mindestens 58 Prozent. Der Entwurf der Zuteilung sieht jedoch vor, dass der größte Anteil der kostenlosen Emissionszertifikate an primären, aus Eisenerz hergestellten Stahl vergeben wird, der energieintensiver ist.

Laut EuRIC hat das derzeitige System der kostenlosen Zuteilung der Zertifikate der europäischen Stahlindustrie falsche Anreize gegeben. Während in den USA oder der Türkei 70 Prozent der Produktion aus recyceltem Stahl besteht, liegt der Anteil in Europa bei nur 55 Prozent, so der Verband.

„Bisher hat die kostenlose Zuteilung direkte Anreize für den emissionsintensivsten Stahlprozess geschaffen, nämlich die Herstellung von Stahl in Sauerstoffhochöfen, die auf Eisenerz angewiesen sind“, stellt Emmanuel Katrakis, Generalsekretär von EuRIC, fest.

„Eine kostenlose Zuteilung, die die kreislauforientierte und emissionsarme Stahlerzeugung behindert, steht nicht nur im Widerspruch zu den Zielen des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft, sondern auch zu den Klimazielen der EU“, teilte er Euractiv mit.

Stahlhersteller halten freie Zuteilung für Flachstahl für notwendig

Der europäische Stahlverband Eurofer unterstützt das Ziel, das Stahlrecycling in Europa zu erhöhen, argumentiert aber, dass die Verordnung über die kostenlose Zuteilung ein anderes Ziel verfolgt – die Wiederherstellung eines fairen Wettbewerbs zwischen den Stahlherstellern in Europa und außerhalb.

„Es stimmt, dass in absoluten Zahlen die Primärroute mehr kostenlose Zuteilungen erhält als die Sekundärroute. Da die primäre Route aber viel mehr emittiert, hat sie in der Praxis nach Abzug der kostenlosen Zuteilungen immer noch viel höhere Kosten als die sekundäre Route“, sagt Adolfo Aiello, stellvertretender Generaldirektor von Eurofer.

Nach Angaben von Eurofer werden bei der Herstellung von primärem Stahl durchschnittlich 1,8 Tonnen CO2 pro Tonne Stahl ausgestoßen. Bei der Verwendung von recyceltem Schrott liegen die Emissionen dagegen nur bei einer Vierteltonne, was sich in wesentlich höheren Emissionskosten für den primären Stahl niederschlägt.

Außerdem würde primärer und sekundärer Stahl nicht in demselben Marktsegment konkurrieren, in dem unterschiedliche Stahlqualitäten benötigt werden, argumentiert der Verband.

„Wenn man also nur die freien Zuteilungen betrachtet, geht man davon aus, dass es in jedem Marktsegment einen direkten Wettbewerb zwischen primärem und sekundärem Stahl gibt“, erklärte Aiello gegenüber Euractiv. Tatsächlich würden die beiden aber auf zwei verschiedenen Märkten miteinander konkurrieren.

„Der Sekundärstahl ist auf Schrott angewiesen, der leider viele Verunreinigungen wie Kupfer und andere Elemente enthält. Und diese Verunreinigungen erlauben es nicht, die gleichen Qualitätsanforderungen für die verschiedenen Marktsegmente zu erfüllen. Die Sortierung wird sich in Zukunft verbessern müssen, aber so weit sind wir noch nicht“, erklärte er.

Doppelstandards

Für Sandbag ist die Vorstellung, dass Schrott nicht gut genug für die Stahlerzeugung ist, jedoch falsch. „Hochwertige Flachstahlerzeugnisse können mit mehr als 50 Prozent Schrott hergestellt werden, kosten aber aufgrund der derzeitigen Regeln für die kostenlose Zuteilung mehr“ als reiner Stahl, argumentiert er.

Darüber hinaus ignoriere der Entwurf der kostenlosen Zuteilung eine Bestimmung in Erwägungsgrund 10 der überarbeiteten Emissionshandelsrichtlinie. Darin heißt es, dass die kostenlosen Zertifikate „unabhängig vom Ausgangsmaterial oder der Art des Produktionsprozesses“ verteilt werden müssen.

„Die Förderung bestimmter Herstellungsprozesse, anstatt sich auf die in den Endprodukten enthaltenen Gesamtemissionen zu konzentrieren, verhindert andere, nicht subventionierte Lösungen zur Dekarbonisierung unserer Schwerindustrie. Die Regeln für die kostenlose Zuteilung sollten gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und die Entwicklung der besten Verfahren ermöglichen“, so Sandbag.

Laut Sandbag würde die Wiederherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen eine geringfügige Änderung der Politik erfordern – die Zuteilung kostenloser Genehmigungen für jede produzierte Tonne „Flachstahl“ anstelle von Roheisen oder verarbeitetem Eisenerz.

Der Verordnungsentwurf sollte am Freitag (1. Dezember) veröffentlicht werden und könnte nun jeden Moment herauskommen, so die Einschätzung von Euractiv.

Interessierte Parteien werden vier Wochen Zeit haben, ihre Meinung zu äußern, bevor die Gesetzgebung verabschiedet wird, vermutlich vor April 2024.

Quelle : EURACTIV

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